Leitung:
Dr. Toni Hildebrandt, Universität Bern, Institut für Kunstgeschichte
Daten: 26. März, 9. April 2020, jeweils 14:15 – 18:00 Uhr (online ab 14:00 Uhr)
Ort: Online-Seminar
ETCS: 2 (Pflichtbereich ICS / Wahlpflichtbereich GS, SLS und SINTA)
Inhalt
1918/19 verfasste Walter Benjamin an der Universität Bern seine Dissertation, die 1920 im Berner Francke Verlag unter dem Titel Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik publiziert wurde. Gegliedert in zwei Hauptteile untersucht die Studie die Bedeutung der „Reflexion“ und der „Kunstkritik“ von der frühromantischen Kunsttheorie bis zum Idealismus. Ein Fortwirken dieser Traditionen in der Moderne ist bei Benjamin mitgedacht und nicht zuletzt grundlegend für seine späteren Studien zur technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks, zum Begriff der Geschichte oder konkreten Strömungen, wie dem Surrealismus. Benjamin sah in der Romantik letztlich vor allem ihr politisches Potential.
Die romantische Kunstkritik blieb in diesem Sinne auch nach seinem frühen Tod über das ganze 20. Jahrhundert relevant: etwa in der postmodernen Kunstkritik (Krauss, Rosenblum, Owens), einer politisch motivierten Rezeption der Warburg-Schule (Agamben, Didi-Huberman, Ginzburg) und nicht zuletzt in der Dekonstruktion (Derrida, Lacoue-Labarthe, Nancy). Anschiessend an diese Positionen fragt der Lektürekurs erneut nach einer Aktualität von Benjamins Studie heute. Ein zentrales Anliegen ist die Klärung der wichtigsten kunstkritischen Begriffe (Reflexionsmedium; Anschauung; Autonomie, immanente Kritik; romantische Ironie; Stil) und deren direkte Applizierbarkeit für verschiedene Forschungsfelder.
Promovierende (zBsp. der SINTA) werden zudem die Gelegenheit haben bei Bedarf ihre eigenen künstlerischen Projekte und deren Verhältnis zur Differenz und/oder Interdependenz von Kunst/Kunstkritik eigens zur Debatte zu stellen.
Toni Hildebrandt
Toni Hildebrandt studierte Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Philosophie und Romanistik in Jena, Weimar, Rom und Neapel. 2010-2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am NFS Bildkritik «eikones». 2013-2017 Resident Fellow und Early Postdoc.Mobility-Fellow (SNF) am Istituto Svizzero in Rom. 2014 Promotion an der Universität Basel. Seit September 2014 wissenschaftliche Assistenz an der Abteilung für Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern. Die Dissertation «Entwurf und Entgrenzung. Kontradispostive der Zeichnung 1955–1975» erschien 2017 bei Fink und wurde 2018 vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München mit dem Wolfgang-Ratjen-Preis ausgezeichnet
Literatur
Benjamin, Walter: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, Bern: Francke 1920.
Jaeggi, Rahel; Wesche, Tilo (Hg.): Was ist Kritik? Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009.
Lacoue-Labarthe, Philippe/Nancy, Jean-Luc: L’absolu littéraire: Théorie de la littérature du romantisme allemand, Paris: Ed. du Seuil 1978.
Menninghaus, Winfried: Unendliche Verdopplung. Die frühromantische Grundlegung der Kunsttheorie im Begriff absoluter Selbstreflexion, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987.
Anmeldung:
Bis spätestens 28.02.2020: toggweiler@wbkolleg.unibe.ch sowie über KSL: https://www.ksl.unibe.ch/ (Login mit UniBe-Account, Suche mit Titel)