Public Lecture "Gattung als Form- und Zeitwissen. Dynamisierung, Hybridisierung, Transformation"
Das in der dekonstruktivistischen Wende der Literaturwissenschaft als normativ verworfene Konzept der Gattung hat unter veränderten methodisch-theoretischen Vorzeichen wieder Konjunktur. Wissenspoetologische, funktionsgeschichtliche, praxeologische und kulturdiagnostische Gattungstheorien erlauben es, Gattungen als dynamische und interkulturell wirksame Formkonzepte wahrzunehmen. Der Vortrag skizziert in einem ersten Teil diese neueren gattungspoetischen Paradigmen und erkundet ihren theoretischen Wert für die Literaturwissenschaft. Gattungen, so die Leitthese, haben als formal stark denotierte Aussageweisen bei der Tradierung, Konsolidierung und Legitimierung von kulturellen Wahrnehmungsmustern und Deutungen in besonderem Masse prägende Kraft. Über ihre historisch differenten Manifestationen, ihre Wanderung und ihr ‘Nachleben’ sind sie aber auch offen für Neubesetzungen und Transformationen. Damit eignet ihnen, so der zweite Teil des Vortrags, per se ein historisches Zeitwissen, sie sind dynamisch, sensibel für den Zusammenhang von Form und Zeit als ihrer ‘ästhetischen Eigenzeit’, und eignen sich als Beobachtungsinstanzen wie auch als Gestaltungsformen komplexer Zeiterfahrungen. Am Beispiel des Nachlebens einer antiken Gattung – der Idylle – in der Prosa des 19. Jahrhunderts soll in einem dritten Teil der heuristische Nutzen für die literaturwissenschaftliche Analyse aus einem aktuellen Forschungskontext vorgestellt werden.
April 27, 2023, 6.15 – 7.45 pm
F005, Unitobler
About Sabine Schneider
Sabine Schneider: 1985–1991 Studium der Germanistik, Geschichte und lateinischen Philologie; 1997 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Würzburg mit der Arbeit «Die schwierige Sprache des Schönen. Moritz’ und Schillers Semiotik der Sinnlichkeit». 1997–2005 Assistentin und Oberassistentin am Institut für deutsche Philologie der Universität Würzburg; 2004 Habilitation an der philosophischen Fakultät der Universität Würzburg mit der Arbeit «Verheissung der Bilder. Das andere Medium in der Literatur um 1900». 2005 Berufung zur Extraordinaria für Neuere deutsche Literatur am Deutschen Seminar der Universität Zürich. 2012 Ernennung zur Ordinaria für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. 2013 Mit-Initiatorin und Mitglied des DFG-Schwerpunktprogramms "Ästhetische Eigenzeiten" (Laufzeit 6 Jahre). Forschungsschwerpunkte: Ästhetik und Kunsttheorie von 1800 bis zur Moderne / Text- Bild Beziehungen von 1700 bis zur Gegenwart, Literarische Ekphrasis, Literatur und bildende Künste, Intermedialität / Literarische Anthropologie, Wahrnehmungsgeschichte, Wissens- und Diskursgeschichte seit dem 18. Jahrhundert / Aufklärung, Weimarer Klassik und Klassizismus, 19. Jahrhundert, Wiener Moderne, Literatur der Jahrhundertwende
Colloquium
April 28, 2023, 10.15 am – 5.00 pm
F-107, Unitobler
Moderation
Prof. Dr. Gabriele Rippl, Department of English / Dekanin Philosophisch-historische Fakultät, University of Bern
ECTS
1.5 (Pflichtbereich ICS / Wahlpflichtbereich GS, SLS und SINTA / Modul I GSA)
Language
German
Registration
Until March 31, 2023 via mike.toggweiler@unibe.ch as well as on KSL: https://www.ksl.unibe.ch/ (Login with UniBe-Account, search with title)